Sie haben eine Anzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gem. § 170 StGB erhalten.
Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin, erklärt Ihnen die
Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 StGB
(Unterhaltspflichtverletzung)
Insbesondere beantwortet Rechtsanwalt Dietrich nachfolgende Fragen:
- Was ist die Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB?
- Was ist eine „gesetzliche Unterhaltspflicht“?
- Fallen nur Unterhaltspflichten nach deutschem Recht unter § 170 StGB?
- Unter welchen Umständen entfällt die Unterhaltspflicht?
- Was heißt es, sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht „zu entziehen“?
- Wann ist der Lebensbedarf eines Unterhaltsberechtigten gefährdet?
- Wie wird die Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 Abs. 1 StGB bestraft – was ist das Strafmaß?
- Wann liegt eine besonders schwere Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 Abs. 2 StGB vor und wie wird diese bestraft?
- Was sollten Sie tun, wenn gegen Sie wegen Verletzung der Unterhaltspflicht ermittelt wird?
Was ist die Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB?
Nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 1 StGB verletzt derjenige seine Unterhaltspflicht, der sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so dass der Lebensbedarf eines Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre.
Was ist eine "gesetzliche Unterhaltspflicht"?
Die gesetzlichen Unterhaltspflichten ergeben sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
So ist in § 1360 BGB grundsätzlich geregelt, dass Ehegatten sich gegenseitig verpflichtet sind, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu versorgen. In dem Fall, dass nur einer der Ehegatten Geld verdient, erfüllt der andere Ehegatte seine diesbezüglichen Verpflichtungen, indem er sich um die Führung des Haushalts kümmert. Arbeiten beide Ehepartner, führen sie den Haushalt gemeinsam und sind auch verpflichtet, sich gemeinsam um die Kinder zu kümmern. Was in diesem Zusammenhang angemessen ist, richtet sich danach, was nach den persönlichen Einkommensverhältnissen der Ehegatten notwendig ist, um die Kosten der Haushaltsführung, sowie die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und deren Kinder zu decken. Außergewöhnliche Anschaffungen, wie beispielsweise ein neues Auto, fallen nicht unter die Unterhaltspflicht.
Die gesetzlichen Unterhaltspflichten sind aber nicht bloß auf Ehepaare und eheliche Kinder beschränkt. Gemäß § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander zum Unterhalt verpflichtet. Dementsprechend kann eine Unterhaltspflicht auch gegenüber unehelichen und adoptierten Kindern sowie gegenüber den eigenen Eltern bestehen. Ebenso besteht eine Unterhaltspflicht auch zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammenleben. Gegenüber Geschwistern, Verschwägerten oder Stiefkindern gibt es keine Unterhaltspflicht. Der klassische Fall ist aber nach wie vor ein Unterhaltsanspruch von Kindern oder Expartnern, wenn Ehepaare getrennt oder in Scheidung leben.
Unter § 170 StGB fallen nur sogenannte materielle Unterhaltspflichten, also Geld oder geldwerte Zuwendungen.
Fallen nur Unterhaltspflichten nach deutschem Recht unter § 170 StGB?
Nein! Wenn die Unterhaltsberechtigten in Deutschland leben, werden auch nach ausländischem Recht begründete Unterhaltspflichten von § 170 StGB geschützt. Daher kann sich auch ein in Deutschland lebender Ausländer nach § 170 StGB strafbar machen. Darüber hinaus schützt § 170 StGB auch in Deutschland lebende Unterhaltsberechtigte, selbst wenn der Unterhaltspflichtige im Ausland lebt.
Unter welchen Umständen entfällt die Unterhaltspflicht?
Der Unterhaltspflichtige muss gemäß § 1603 BGB zur Zahlung des Unterhalts in der Lage sein. Das ist der Unterhaltspflichtige nur dann, wenn die eigene Existenz oder die Ansprüche vorgehender Unterhaltsberechtigter durch die Unterhaltszahlungen nicht gefährdet sind. Daher steht jedem Unterhaltspflichtigen ein sogenannter Selbstbehalt zu, also die Mindestsumme, die er für die eigene Lebensführung behalten darf. Die Höhe des Selbstbehalts variiert je nachdem, wem gegenüber man unterhaltspflichtig ist, und ob der Unterhaltspflichtige einen Beruf ausübt oder erwerbslos ist. So steht beispielsweise einem Erwerbstätigen, wenn er gegenüber minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig ist, ein Selbstbehalt in Höhe von 950,00 € zu, einem Erwerbslosen aber nur in Höhe von 770,00 €.
Was heißt es, sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht "zu entziehen"?
Wer es unterlässt seinen Unterhaltszahlungen nachzukommen, entzieht sich seinen Unterhaltspflichten. Der klassische Fall dabei ist offensichtlich, dass der Unterhaltspflichtige sich schlicht weigert, den Unterhalt zu zahlen, oder bisherige Unterhaltszahlungen einstellt. Allerdings entzieht sich auch derjenige seiner Unterhaltspflicht, der seinen Beruf aufgibt, um sein Einkommen absichtlich unter die Selbstbehaltgrenze zu drücken. Gleiches gilt auch für jemanden, der sein Vermögen durch Schenkungen an Dritte künstlich so sehr verringert, dass er nicht mehr zur Leistung der Unterhaltszahlungen in der Lage ist.
Wann ist der Lebensbedarf eines Unterhaltsberechtigten gefährdet?
Eine weitere Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 170 StGB ist, dass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten durch das Entziehen von den Unterhaltspflichten gefährdet sein muss.
Da der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten nur „gefährdet“ sein muss, ist dieses Tatbestandsmerkmal sehr weit gefasst. Es reicht aus, dass es wahrscheinlich ist, dass dem Unterhaltsberechtigten eine Einschränkung hinsichtlich seines angemessenen Lebensbedarfs droht, wenn der Unterhaltspflichtige sich seinen Unterhaltszahlungen entzieht. Es kommt keineswegs darauf an, dass es dem Unterhaltsberechtigten zu seiner Lebensführung am Allernotwendigsten mangelt. Gleiches gilt auch, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Mangel hinsichtlich seines angemessenen Lebensbedarfs nur durch übermäßige Arbeit kompensieren kann.
Eine Strafbarkeit nach § 170 StGB entfällt auch dann nicht, wenn dem Unterhaltsberechtigten gar keine Einschränkung droht, weil Dritte, beispielsweise nicht unterhaltspflichtige Verwandte, Freunde oder auch das Sozialamt den Unterhaltsberechtigten finanziell unterstützen. Denn nach § 170 StGB ist es ausreichend, dass der Lebensbedarf ohne die Hilfe Dritter potentiell gefährdet wäre. Soweit die Einschränkung des Lebensbedarfs durch staatliche Leistungen abgewendet wird, muss es allerdings einen Zusammenhang zwischen der Verletzung der Unterhaltspflicht und der Gewährung dieser staatlichen Leistungen geben. Das heißt, dass die Gewährung der staatlichen Leistungen gerade wegen der Verletzung der Unterhaltspflicht notwendig wurde.
Wie wird die Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 Abs. 1 StGB bestraft – was ist das Strafmaß?
Gemäß § 170 Abs. 1 StGB wird die Verletzung der Unterhaltspflicht mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Allerdings wird auch bei geringer Schuld eines Verurteilten häufig keine Geldstrafe verhängt, da dies dem Schutzzweck des § 170 Abs. 1 StGB zuwiderlaufen würde. Nach Auffassung von Gerichten sollen Unterhaltspflichtige ihren Unterhaltspflichten nachkommen und durch Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Staat diesbezüglich nicht behindert werden, da dies wieder zu Lasten der Unterhaltsberechtigten, die ja gerade durch § 170 StGB geschützt werden sollen, gehen würde. Dementsprechend werden bei Verurteilungen nach § 170 Abs. 1 StGB oft auch bei geringer Schuld Freiheitsstrafen von einigen Monaten verhängt.
Der Versuch der Verletzung der Unterhaltspflicht ist nicht strafbar.
Wann liegt eine besonders schwere Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 Abs. 2 StGB vor und wie wird diese bestraft?
Nach § 170 Abs. 2 StGB liegt ein besonders schwerer Fall der Verletzung der Unterhaltspflicht vor, wenn jemand einer schwangeren Frau, der er zum Unterhalt verpflichtet ist, den Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch einen Schwangerschaftsabbruch bewirkt.Ein Schwangerschaftsabbruch, der nicht medizinisch indiziert ist, also eine gewollte Abtreibung, ist in Deutschland allerdings nur bis zur 14. Schwangerschaftswoche erlaubt. Nichteheliche Väter sind gemäß § 1615 BGB einer schwangeren Frau gegenüber aber in der Regel nur für den Zeitraum von sechs Wochen vor der Geburt bis acht Wochen nach der Geburt gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet. Als Täter des § 170 Abs. 2 StGB kommen daher im Ergebnis nur Ehemänner in Betracht.
Der Unterhalt muss in verwerflicher Weise vorenthalten werden. Dabei handelt es sich um ein allgemeines Tatbestandsmerkmal, das sich in der Regel unmittelbar aus dem Vorenthalten des Unterhalts ergibt. Fraglich kann dies aber in solchen Fällen sein, in denen seitens des Unterhaltspflichtigen die Vaterschaft bestritten wird.
Schließlich muss die Schwangerschaft aufgrund des Vorenthaltens des Unterhalts abgebrochen werden. Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist problematisch, da dieser direkte Zusammenhang nur in den seltensten Fällen nachgewiesen werden kann. Daher spielt § 170 Abs. 2 StGB in der praktischen Anwendung des Strafrechts nur eine untergeordnete Rolle.
Eine Straftat nach § 170 Abs. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Genauso wie bei einer Verurteilung nach § 170 Abs. 1 StGB scheidet auch hier in aller Regel die Verhängung einer Geldstrafe aus.
Was sollten Sie tun, wenn gegen Sie wegen Verletzung der Unterhaltspflicht ermittelt wird?
Sobald Sie Kenntnis davon erlangen, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht läuft, sollten Sie sich umgehend an einen erfahrenen Strafverteidiger wenden. Dieser wird Sie bereits im Ermittlungsverfahren begleiten und häufig noch vor Klageerhebung auf eine Einstellung des Verfahrens hinwirken können. Sollte es dann doch zu einer Verhandlung kommen, können Sie sicher sein, dass jemand auf Ihrer Seite steht, der für Ihre Recht kämpft.
Rechtsanwalt Dietrich ist Fachanwalt für Strafrecht und seit vielen Jahren ausschließlich im Bereich des Strafrechts tätig.